Baden-Baden

Paris steigt mit Combar in den Ring

Die ersten großen Spatenstiche sind gesetzt: 42 Meter tief, bis zu 1,5 Meter stark, rund 4 Meter breit. In die Schlitze lässt man Bewehrungskörbe aus Stahl und der Glasfaserbewehrung Schöck Combar ein, dann wird betoniert. Die so entstehenden Schlitzwände sichern einen 110 x 25 Meter großen Schacht. Von hier aus startet die Tunnelbohrmaschine, die nun tief unter dem regen Treiben auf der Île-de-France eine 33 Kilometer lange Röhre bahnt für die neue „Ligne 15 Sud“ des Grand Paris Express.

Das Netz der Pariser Métro erhält einen neuen Ring. Mit rund 200 Kilometer Länge umfasst das Projekt die Schaffung von vier neuen Strecken rund um die Hauptstadt und die Erweiterung von zwei bestehenden Linien – 90 Prozent davon unterirdisch. Hinzu kommen der Bau von 68 Bahnhöfen und die Entwicklung neuer Stadtviertel um diese künftigen städtischen Zentren. Allein die „Ligne 15 Sud“, die 2022 als erste in Betrieb gehen soll, erhält 16 Stationen mit Zugang zu RER (Regionales Expressnetz), Métro, Straßenbahn und Busnetz. Mehr als eine Million Einwohner in 22 Gemeinden werden durch die neue Strecke des Grand Paris Express noch enger mit der Seine-Metropole verbunden.

Paris ist Europas Region mit der höchsten Bevölkerungsdichte. Zwölf Millionen Menschen – 19 Prozent von Frankreichs Bevölkerung – leben in diesem Ballungsraum. Hinzu kommen 8,3 Millionen Fachbesucher und über 46 Millionen Touristen pro Jahr. Um die wachsenden Mobilitätsanforderungen zu bewältigen, setzt die Stadt, die 2030 Verbrennungsmotoren von der Straße verbannen will, stark auf öffentliche Verkehrsmittel: 1900 entstand zu den Olympischen Sommerspielen und der Weltausstellung die Métro Linie 1. 2024 und 2025 dürften beide Veranstaltungen erneut für Fahrgast-Rekorde sorgen.

Schnell zerspanbares „Soft Eye“

Europas größtes Infrastrukturprojekt begann im Juni 2016 dort, wo später der Bahnhof Fort d’Issy -Vanves - Clamart (FIVC) stehen wird. Erste Herausforderung: Die 1,2 bis 1,5 Meter starken Schlitzwände, welche den über 40 Meter tiefen Schacht zum Einlass der Tunnelbohrmaschine sichern, müssen dauerhaft solide sein, um den enormen Druckkräften von Erdreich und Grundwasser über viele Jahrzehnte standzuhalten. Doch zugleich sollten die Wände – anders als Stahlbeton – vom Bohrkopf schnell durchdringbar sein. Die Lösung: Eine sogenannte „Soft Eye“-Konstruktion.

„Dort, wo der Tunnelbohrer durch die Schlitzwand fahren soll, wird die Stahlbewehrung durch eine stabile und zugleich leicht zerspanbare Glasfaserbewehrung ersetzt“, erklärt Faustin Gaufillet, der den technischen Vertrieb der Spezialbewehrung Schöck Combar in Frankreich leitet. „Entscheidend ist, dass die Stäbe ausreichend belastbar sind und dass ihre Glasfasern vor der korrosiven Wirkung des alkalischen Betons geschützt werden. Nur so kann die bei Tunnelbauprojekten oft geforderte Mindestnutzungsdauer von 100 Jahren sicher gewährleistet werden.“

Zulassung als Alternative zu Betonstahl

Doch eine internationale Norm gibt es bei Spezialanwendungen, wie der „Soft Eye“-Konstruktion, bislang nicht. Üblich sind Einzelfallzulassungen, die jedoch oft zeit- und kostenaufwändig sind.  Schöck Combar ist der einzige Stab aus glasfaserverstärktem Kunststoff, der seit 2008 über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) verfügt. Das Verfahren ähnelt dem European Technical Assessment (ETA). Zudem bringt Schöck viel internationale technische Expertise in die Planung und Umsetzung ein, was die auf Eurocodes (EC) basierende Zulassung in Paris deutlich vereinfachte.

Dies hat historische Gründe: Combar (von „composite rebar“) wurde in den 1990er Jahren von Schöck gezielt als Alternative zu Betonstahl entwickelt. Stäbe von 8 bis 25 Millimeter Nenndurchmesser besitzen eine geprüfte Dauerzugfestigkeit von 580 N/mm² und eine Bemessungsspannung von 445 N/mm². Diese Werte gelten für alle Anwendungen und Standzeiten von 100 Jahren. Combar kommt dort zum Einsatz, wo Stahl an seine Grenzen stößt: bei besonderen Anforderungen hinsichtlich elektromagnetischer oder thermischer Isolation, chemischer Resistenz oder der Zerspanbarkeit.

Hohe Tragfähigkeit und Effizienz  

„Combar wird vor allem dort eingesetzt, wo eine lange Haltbarkeit, hohe Steifigkeit und überragende Tragfähigkeit gefordert ist“, erläutert Faustin Gaufillet von Schöck. „Letzteres senkt zugleich den Materialbedarf: Bei den 40 Meter tiefen Schlitzwänden in Paris konnten wir mit Combar die zur Aufnahme der Lasten erforderliche Zahl der Glasfaserbewehrungsstäbe im Vergleich zum Mitbewerber mehr als halbieren und auch die ausgeschriebene Materialmenge deutlich unterschreiten. Das beschleunigt die Bauzeit, sichert durch die größeren Stababstände ein gleichmäßigeres Fließen des Betons und senkt die Baukosten.“

Je Schlitzwand wurden in Paris circa 8500 Kilogramm Combar für die Bewehrungskörbe verwendet. Die Glasfaserstäbe lassen sich mit Draht oder Kabelbindern einfach und schnell montieren. Der Korb wird dann zur Baustelle gebracht und mithilfe eines Krans in die ausgehobenen Schlitze eingelassen und diese dann im Kontraktorverfahren mit Beton gefüllt. Rund 150 Kubikmeter Beton wurden für einen einzigen dieser Schlitzwandlamellen benötigt. Die Betonage einer Lamelle dauerte bis zu einem halben Tag.

Glasfasermaterial im vielfältigen Einsatz

Der Glasfaserverbundwerkstoff findet neben dem Ingenieurbau, wie Tunnel-, Brückenbau, dem Bau von Industrie- und Energieanlagen sowie Forschungseinrichtungen, auch im allgemeinen Hochbau Anwendung. Eingesetzt im Wärmedämmelement Schöck Isokorb kommt in diesem Anwendungsbereich die geringe Wärmeleitfähigkeit von 0,7 W/mK der Glasfaserbewehrung zum Tragen und reduziert Wärmebrücken auf ein Minimum. Dank dieser Eigenschaft ist das Glasfasermaterial auch für den Einsatz in kerngedämmten Sandwich- und Elementwänden ideal geeignet.

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Judith Fischbach
PR-Referentin