Tunnelbau: Internationale Forschungsanlage mit GFK-Bewehrung

Tunnelsystem für europäische Forschungsanlage: Für den Einsatz eines speziellen Röntgenlasers wird derzeit in Hamburg eine unterirdische Forschungsanlage gebaut. Nach Fertigstellung soll hier der europäische Freie-Elektronen-Röntgenlaser „European XFEL“ hochintensive ultrakurze Röntgenblitze mit den Eigenschaften von Laserlicht erzeugen. Das Tunnelsystem erstreckt sich über 3,4 Kilometer zwischen dem Sitz des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld und der benachbarten schleswig-holsteinischen Ortschaft Schenefeld. Die Tunnelbohrmaschine mit einem Durchmesser von 6,17 Metern wird im Juni 2011 im Zielschacht in Bahrenfeld erwartet. In dessen Ausfahrbereich sind die Schlitzwände mit glasfaserverstärkten Kunststoff bewehrt, so dass eine Durchörterung mit der Tunnelbohrmaschine im Vergleich zu mit Betonstahl bewehrten Schlitzwänden wesentlich einfacher möglich ist.

Mit dem European XFEL entsteht eine 3,4 Kilometer lange Forschungsanlage an der Grenze zwischen Hamburg und Schleswig Holstein. Als einzige Forschungsanlage dieser Art in Europa, wird der European XFEL – X steht für Röntgen, FEL für Freie-Elektronen-Laser – hochintensive ultrakurze Röntgenblitze mit den Eigenschaften von Laserlicht erzeugen, die für die internationale Forschung genutzt werden. Die Forschungsanlage erstreckt sich zwischen dem Sitz des Deutschen Elektronen-Synchrotrons DESY im Hamburger Stadtteil Bahrenfeld und der benachbarten schleswig-holsteinischen Ortschaft Schenefeld (Kreis Pinneberg). Sie beginnt an der Grenze des DESY-Geländes, wo die zentralen Versorgungsstationen stehen. Auf den ersten 2,1 Kilometern des sechs bis 38 Meter unter Geländeoberkante tiefen Tunnelsystems, verläuft der Haupttunnel für den supraleitenden Elektronen-Linearbeschleuniger. Die Tunnelbohrmaschine mit einem Durchmesser von 6,17 Metern wird voraussichtlich im Juni 2011 im Zielschacht in Bahrenfeld eintreffen. In dessen Ausfahrbereich wird eine Bewehrung aus glasfaserverstärktem Kunststoff eingesetzt.

Der Spezialtiefbau


Das Los 3 des Bauprojektes European XFEL wird von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) DESY-XFEL Injektorkomplex ausgeführt. Diese Arbeitsgemeinschaft setzt sich aus der Züblin Spezialtiefbau GmbH (Baugrube) und den Firmen Ed. Züblin AG sowie Aug. Prien Bauunternehmung (Ingenieurbau) zusammen. Die Aushubtiefe der Baugrube beträgt beachtliche 35 Meter. Die Schlitzwände binden dafür über 40 Meter in den Baugrund ein. Neben der Tiefe der Grube sind es die beengten Platzverhältnisse des Objektes, die eine besondere Herausforderung darstellen. „Wir bewegen uns mit großen Baugeräten, die die Schlitztiefe von 40 Metern bedingt, auf einer Fläche von lediglich 1.500 Quadratmetern – was die Bewegungsfreiheit stark einschränkt“, sagt Ronny Stachowski, Bauleiter Züblin Spezialtiefbau GmbH. Darüber hinaus gibt es verschiedene Faktoren, die den Bauablauf kompliziert gestalten: drei betriebene 110 Kilovolt -Vattenfall- beziehungsweise DESY-Leitungen, führen in einer stählernen Kabelbrücke quer über das Baufeld und können nicht verlegt werden. Dieser Stahlbau hat an sich schon die Qualität einer Baustelle und unter dieser Brücke sind Baugeräte positioniert. Im Laufe des Baufortschrittes wird sich ein Zwischenaushubzustand ergeben, bei dem die Arbeiten in 15 bis 18 Metern Tiefe stattfinden werden, dies ermöglicht die nötige Baufreiheit nach oben.

Eine Herausforderung ist auch die extrem enge terminliche Situation: Die Züblin Spezialtiefbau GmbH muss mit seinen Spezialtiefbauarbeiten im Mai 2010 fertig sein und die Baugrube an den Ingenieurbau übergeben, denn im Juni 2011 wird in diesem Los die Tunnelbohrmaschine im Zielschacht erwartet. Zwei Tunnelbohrmaschinen werden vom Startpunkt in Schenefeld aus starten, eine von ihnen wird direkt zum Los 3 fahren und die andere wird mehrere andere Tunnel auffahren, die fächerförmig angelegt werden. Der direkte Tunnel zu dem Zielschacht in Los 3 ist 3,4 Kilometer lang, die Gesamtlänge aller Tunnel liegt bei 5.777 Metern.

Zu den Abstützmaßnahmen im Zielschacht äußert sich Stachowski: „Es wäre möglich, die gesamte Baugrube mit Stahlstreifen auszusteifen. Es wurde jedoch entschieden, die Baugrubenwände mit Ankern rückzuverankern. Dazu wurden Anker von bis zu 47 Metern Länge und bis zu acht Litzen hergestellt. Die oberste Ankerlage ist eine einfache Lage, die zweite und dritte Lage sind mit Doppelankern ausgeführt.“

GFK-bewehrte Schlitzwand für den Zielschacht

Da der Zielschacht von einer Tunnelbohrmaschine durchfahren werden wird, wird dort eine GFK-Bewehrung eingesetzt. Die Planung der GFK-bewehrten Schlitzwand erfolgte durch das Technische Büro Tiefbau der Ed. Züblin AG (TBT) in enger Abstimmung mit der Schöck Bauteile GmbH. Die GFK-Bewehrung befindet sich in einem mittleren Korbabschnitt, die Ober- und Unterkörbe sind aus Stahl. Die längsten GFK-Stäbe weisen eine Länge von 16 Metern auf, der Durchmesser der Stäbe liegt bei 32 Millimetern. Bemerkenswert ist die hohe Bewehrungsdichte im GFK-Bereich. Diese folgt aus der Bemessung der Schlitzwand. Aufgrund des geringeren E-Modules sind bei Verwendung von GFK-Bewehrungen größere Dehnungen im Vergleich zu Betonstahl erforderlich um die gleichen Spannungen zu erzeugen. Es ist daher ein höherer Bewehrungsgrad (GFK) erforderlich als bei Verwendung von Betonstahl. Dazu weist Per Dost (Projektleiter IG WTM, Amberg) darauf hin, dass die Auswahl der Bewehrung im Verantwortungsbereich der Arbeitsgemeinschaft DESY-XFEL Injektorkomplex läge. Die Kräfte, die dort entstünden, müssten durch den Bewehrungskorb aufgenommen werden.

Die Durchfahrung der Schlitzwand mit der Tunnelbohrmaschine erfolgt durch die ARGE Tunnel XFEL nach Herstellung des Rohbaus innerhalb der Baugrube. Die Einfahrt kann entweder im Schutz eines im Erdreich liegenden Dichtblockes oder einer innenliegenden Einfahrkonstruktion (Dichttopf) erfolgen.

Ob letztendlich ein Dichtblock zum Einsatz kommt, sei, so Stachowski, eine Entscheidung der ARGE Tunnel XFEL und liegt im Leistungsumfang des Tunnelbaus. Für Dost gibt es Argumente, warum gegebenenfalls keine Lösung mit Dichtblock gewählt wird. Er weist darauf hin, dass sich aus bauablauftechnischen Gründen verschiedene Nachteile ergeben würden. So hätte die Herstellung des Dichtblocks vor dem Baugrubenaushub erfolgen müssen, was die Gefahr von Undichtigkeiten infolge des unterschiedlichen Verformungsverhaltens von Verbau und Dichtblock beim Aushub hätte nach sich ziehen können. Bei der Herstellung nach dem Aushub wäre die aufgrund der örtlichen Verhältnisse und der dann offenen Baugrube bereits eingeschränkte Baustellenfläche weiter reduziert worden. Darüber hinaus hätte man zusätzliches Gerät für die HDI-Herstellung bereitstellen müssen.

Weiter sei die Qualitätskontrolle eines klassischen Dichtblocks relativ schwierig. Es wäre in diesem Fall anzustreben gewesen, dass die ARGE Tunnel XFEL die Ausführung des Dichtblocks übernähme. Dazu hätte bereits in der Ausschreibungsphase eine Beantwortung der oben genannten Zeitfrage erfolgen müssen, um vertraglich eindeutige Regelungen in Bezug auf unter anderem Flächenverfügbarkeit zu gewährleisten. „Insgesamt hätten wir den gestalterischen Freiraum der ausführenden Unternehmen für diese schwierige Schnittstelle stark eingeschränkt.“

Der Ausbau des Schachtes ist bei Einfahrt der Tunnelbohrmaschine im Jahre 2011 relativ weit fortgeschritten. Er hat sieben Untergeschosse und wir werden uns bei der Tunneleinfahrt zirka im dritten, zweiten oder ersten Untergeschoss befinden, das heißt so weit ist nach der Baugrube der Schacht im Inneren bereits hergestellt. Wenn man einen Dichtblock setzen würde, müsste der dafür erforderliche Baustellenbereich wesentlich früher geräumt werden, um die Erstellung des Dichtblockes zu ermöglichen“, führt Dost aus. Außerdem müsste beim Einsatz eines Dichtblocks im Innern eine relativ frühzeitige Räumung des Bauwerks stattfinden, um den Abbruch der stahlbewehrten Schlitzwand durchzuführen. Schließlich gäbe es beim Einsatz von Dichtblöcken mit dem Übergang zwischen der Baugrubenwand und dem eigentlichen Dichtblock, also die Fuge, einen zusätzlichen Schwachpunkt. Die Fuge könne zwar verpresst werden, es gäbe jedoch Bewegungen im Bauwerk, denen sich der Boden nicht 1:1 anpasse, so dass der Dichtblock eventuell andere Verformungen erführe als die Baugrube. In diesem Fall besteht das Risiko von Problemen mit der Dichtigkeit bei immerhin 20 Meter Wassersäule. “Gegen eine klassische Dichtblocklösung sprechen: die Losgrenze zwischen zwei ARGEn, Zeitprobleme, zusätzlicher Aufwand und die Enge des Baufeldes. Unabhängig davon ist GFK im Tunnelbau mittlerweile eine doch recht verbreitete Lösung, für die es Referenzen gibt, gerade hier in Hamburg beim Neubau der Linie U4“, fasst Dost zusammen. Es spräche aus genehmigungstechnischer Sicht nichts gegen GFK und es bestünde eine ganze Reihe von Vorteilen im Bauablauf.

Aufwändig gestalteten sich die Kopplungsmaßnahmen vom mittig angeordneten GFK-Korb zu den Stahl-Körben. Dabei erfolgte die Kopplung zwischen dem GFK-Korb und dem unteren Stahlkorb über Koppelkonstruktionen, wie sie auch bei den normalen Stahlkörben eingesetzt werden, diese sind technisch einfach, sind auf der Baustelle gut zu handhaben und es liegen damit gute Erfahrungen von anderen Baustellen vor. Im Anschlussbereich mit den oberen Stahlkörben wurden herkömmliche Seilklemmen eingesetzt. Dies habe damit zu tun, dass man den mittleren GFK-Korb und den Oberkorb komplett geliefert bekommen habe und diese Kombination in einem externen Unternehmen hergestellt worden sei, so Stachowski. Es gäbe zwar Fälle, in denen die GFK-Bewehrung auf der Baustelle geflochten werde, man habe sich hier jedoch aufgrund der Dichte der GFK-Bewehrung für eine Fertigung im Werk entschieden. Dabei hätte das Technische Büro der Ed. Züblin AG die Bewehrungen so berechnen und konstruieren müssen, dass sie exakt zusammen passten. Der Vorteil von Koppelkonstruktionen sei, dass sich die Arbeit des exakten Koppelns der Körbe auf diesen Bereich reduzierte und die restliche Bewehrung sich damit so einfädelt, dass sie passe. Wichtig dabei sei jedoch die exakte Platzierung jedes Bewehrungsstabes an der richtigen Stelle. Besondere Detailplanung erforderte die Anbringung der oberen Koppelkonstruktion zum Anschluss des unten befindlichen GFK-Korbes. Dafür wurde ein System entwickelt, bei dem Seilklemmen an einen Träger angeschweißt wurden, die dann die GFK-Stäbe aufnahmen. Bei einer derartig hohen Bewehrungsdichte achtete man auf einen entsprechend dünnflüssigen Beton: es wurde F5-Beton nach DIN mit einer maximalen Korngröße von 16 Millimetern Durchmesser eingesetzt und daher durfte der Abstand der Bewehrungsstäbe ein bestimmtes Maß nicht unterschreiten. Da der Schlitzwandbeton selbst verdichtend ist, ergaben sich keine Probleme.

Bei allen Vorteilen, die GFK-Bewehrung bietet, gibt es auch Nachteile. Dazu Stachowski: „GFK ist ein relativ teures Material und sehr empfindlich. Dieses Material reagiert auf Zugkräfte sehr gut, aber Querkräfte können nicht gut aufgefangen werden, das heißt, man muss sehr vorsichtig beim Aufstellen des Korbes sein. Es ist durchaus anspruchsvoll, den Korb auf der Baustelle von der liegenden Position in die Aufrechte zu bringen. Bei dieser Aktion war ein Mitarbeiter des Herstellers Schöck anwesend und hat uns unterstützt. Das Einstellen der kombinierten Bewehrungskörbe hat zwar etwas länger gedauert, aber der zeitliche Mehraufwand fällt kaum ins Gewicht.“

Für den Einsatz der GFK-Bewehrung im Objekt European-XFEL-Injektorkomplex war eine Zustimmung im Einzelfall notwendig. In Kooperation zwischen dem Technischen Büro der Ed. Züblin AG und der Firma Schöck wurde ein Konzept ausgearbeitet mit dem man gemeinsam bei der Behörde anfragte. "Aus der Erfahrung des GFK-Herstellers, der nicht zum ersten Mal ein derartiges Material in Hamburg einsetzt und, beim Bau der neuen U4 am Jungfernstieg ebenfalls eine Zustimmung im Einzelfall bekommen hat, waren die richtigen Ansprechpartner bekannt. Das war auch ein Grund, warum wir uns an diese Firma gewandt haben. Wir gingen davon aus, dass es für die Zustimmung im Einzelfall keine großen Probleme geben würde und damit lagen wir richtig", erinnert sich Stachowski an den Vorgang. Um Zeit zu sparen, erfolgte die Beantragung der Zulassung im Einzelfall durch die ARGE DESY-XFEL Injektorkomplex. Der Bauherr erteilte der ARGE DESY-XFEL Injektorkomplex dazu die erforderliche Vollmacht.

In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage der zuständigen Behörde interessant, die die Zustimmung im Einzelfall (ZiE) in weniger als zwei Wochen erteilte: „Das ist sicher nicht typisch für eine ZiE. Aber wenn wir alle Unterlagen vollständig erhalten haben, geht es auch bei uns mit etwa vier Wochen durchaus schnell. Es ging in diesem Fall besonders termingerecht, weil dieses Material kurz zuvor im Bauvorhaben U4 / Hafencity mit einer ZIE eingesetzt wurde. Zusätzlich haben wir das komplette Material - die gutachterlichen Stellungnahmen von anerkannten Prüfstellen - zügig erhalten“, sagte Jean de Dieu Nsabimana vom Amt für Bauordnung und Hochbau, Prüfstelle für Baustatik in Hamburg.

GFK-Bewehrung wirft oft die Frage nach deren Dauerhaftigkeit auf. Im Hamburger Objekt waren keine besonderen Anforderungen in dieser Hinsicht gestellt. Dazu Dost: „Die GFK-Bewehrung wird etwas über zwei Jahre im Beton verbleiben, bevor die Tunnelbohrmaschine im Juni 2011 eintrifft. Dieser Zeitraum ist durch die Zustimmung im Einzelfall abgedeckt.“ Wenn die Tunnelbohrmaschine die Schlitzwand durchfahren hat, hat diese noch eine statische Teilfunktion, sie wird aber nicht als Fundament genutzt. Wegen der bautechnischen Toleranzen sei es nicht möglich, die GFK Bewehrung in der exakten Größe der TBM-Durchfahrt zu fertigen. Bei dem Projekt European XFEL-Injektorkomplex weist das GFK-Fenster die Maße von etwa acht mal acht Meter auf, die Tunnelaußenabmessungen betragen jedoch etwa sechs Meter, so dass etwa ein Meter neben der Tunnelöffnung noch GFK verbleibt. Bei der Bemessung des Rohbaus wird die Schlitzwand in diesem Bereich nicht als dauerhaft tragend herangezogen. "Positiv ist, dass diese Bereiche in einer Tiefe von zirka 35 Metern mit ihren entsprechenden Lasten im Nachgang von innen durch das eigentliche Bauwerk verschlossen werden. Bevor die Tunneleinfahrt erfolgt, ist das Bauwerk im Innern schon fast vollständig erstellt. Wenn dann die Tunneleinfahrt erfolgreich vollzogen ist, wird dieser Bereich rund um die Tunneleinfahrt verschlossen. Dazu gibt es eine zusätzliche Stahlbetonkonstruktion, die eine Stützung der Schlitzwand (GFK-Bewehrung) vornimmt. Bei den herrschenden Lastverhältnissen in dieser Tiefe wird der Rohbau entsprechend massiv ausgeführt.", erläutert Dost.


Autor: Jörg Pfäffinger

Bautafel

Bauherr: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Hamburg

Arbeitsgemeinschaft DESY XFEL Injektorkomplex:
Züblin Spezialtiefbau GmbH, Hamburg
Ed. Züblin AG, Hamburg
Aug. Prien Bauunternehmung GmbH &Co. KG, Hamburg

Weitere Informationen zum European XFEL unter:
www.xfel.eu/de

Planung der GFK-bewehrten Schlitzwand:
Ed. Züblin AG in Abstimmung mit der
Schöck Bauteile GmbH, Baden-Baden

GFK-Bewehrung: Schöck ComBAR
Ausführung:
Baubeginn Januar 2009
Erreichen des Zielschachts voraussichtlich im Juni 2011

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