GFK-Bewehrung im Karlsruher Stadtbahntunnel

Die Innenstadt von Karlsruhe wird umgebaut. Das Ziel: eine bahnfreie Fußgängerzone. Entstehen wird die neue Shopping- und Flaniermeile mit Hilfe der Kombilösung, die aus zwei Einzelprojekten besteht. Geplant ist ein Tunnel für den Straßenverkehr mit einer darüber liegenden Straßenbahntrasse in der Kriegsstraße und zwei Straßenbahn-Tunnel mit sieben großzügigen Haltestellen unter der Kaiserstraße mit Anbindung an den südlichen Stadtteil über die Ettlinger Straße. Der Bau der Haltestellen erfolgt nach der sogenannten Deckelbauweise. Der Stadtbahntunnel wird von einer Tunnelbohrmaschine (TBM) errichtet. Im Bereich der TBM-Durchfahrung sind die Bohrpfähle und Schlitzwandkörbe aus der Sonderbewehrung ComBAR von dem Bauteilehersteller Schöck aus Baden-Baden erstellt. Das Produkt besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff und kann im Gegensatz zu Stahl von der TBM direkt durchfahren werden. Das spart Zeit und reduziert zudem die Kosten.

Die Fächerstadt Karlsruhe bleibt auch bei der Stadtentwicklung innovativ und strebt mit der Kombilösung eine neue Atmosphäre in der Innenstadt an. Die rund einen Kilometer lange Fußgängerzone wird nur noch für Fußgänger zur Verfügung stehen. Dem Flanieren, Shoppen oder auch dem gemütlichen Zusammensitzen in zahlreichen Straßencafés steht nach dem Umbau nichts mehr im Wege. Die Mobilität wird dabei auch weiterhin gewährleistet sein, denn die Straßenbahnen werden unter die Erde verlegt. Der Grund für diesen Umbau ist die ausgeschöpfte Kapazität der Personenbeförderung in der Kaiserstraße. 2003 waren 156 Millionen Menschen mit dem Karlsruher Verkehrsverbund (KKV) unterwegs. Bis 2008 hat sich die Zahl der Fahrgäste auf 170 Millionen erhöht und die Zahl steigt weiter an. Höchste Zeit also, dass sich hier etwas ändert. Der Strom der Innenstadtbesucher wird empfindlich gestört: Im Schnitt fährt jede Minute eine Bahn pro Richtung durch die Shoppingstraße. Die Kombilösung wurde vom Gemeinderat der Stadt Karlsruhe beschlossen, nachdem 2002 ein Bürgerentscheid positiv ausgefallen war. Durch den Bau des Stadttunnels Kaiserstraße mit Südabzweig in die Ettlinger Straße kommen Berufspendler, Bewohner und Besucher der Stadt schneller und pünktlicher an ihr Ziel und der öffentliche Personennahverkehr von Karlsruhe ist fit für die wachsenden Anforderungen der Zukunft.

Das gesamte Projekt wird nach dem heutigen Stand 615 Millionen Euro kosten. Die förderfähigen Kosten für das Jahrhundertprojekt werden zu 80 Prozent von Land und Bund getragen. Der Restbetrag wird von der 2003 gegründeten Karlsruher Schieneninfrastruktur-Gesellschaft (KASIG), die gleichzeitig auch Bauherr ist, aufgebracht.

Während der insgesamt neunjährigen Bauphase sollen die Verkehrsbeeinträchtigungen möglichst gering gehalten werden. Beim Bau der sieben unterirdischen Haltestellen wurde deshalb die Deckelbauweise gewählt. Dadurch werden die Bauzeiten an der Oberfläche reduziert. Bei der Deckelbauweise werden der Straßenbahn- und Anlieferverkehr sowie die Fußgängerpassagen zunächst auf eine Seite der Kaiserstraße verlegt. Auf der gesperrten Seite werden circa 20 Meter tiefe Schlitze ausgehoben beziehungsweise Bohrpfähle gebohrt. In diese werden Bewehrungskörbe eingebaut und anschließend ausbetoniert. Die so hergestellten Wände dienen als Baugrubensicherung für die unterirdischen Stationen. Anschließend wird die Straße bis zu einer Tiefe von etwa vier Metern halbseitig geöffnet und ein Betondeckel gegossen, der auf den Bohrpfahlwänden ruht: die Decke der künftigen Haltestellen. Der Verkehr kann nun auf den Deckel umgelegt werden und die gleiche Prozedur kann auf der anderen Seite erfolgen. Nach Fertigstellung der Betondeckel kann der Verkehr an der Oberfläche wie gewohnt weiterfließen, während die restlichen Bauarbeiten unterirdisch weitergeführt werden.

Der rund 2,4 Kilometer lange neue Stadtbahntunnel befindet sich direkt unter der Shoppingmeile. Er wird künftig vier U-Haltestellen miteinander verbinden. Da sich die Baustelle mitten in der Innenstadt befindet, spielt die Bauzeit eine besonders große Rolle. Die Bauarbeiten sollen so schnell wie möglich vonstatten gehen. Deshalb kommt beim Tunnelbau das Schildvortrieb-Verfahren zum Zug. Dabei gräbt sich die Tunnelbohrmaschine (TBM) – an der Oberfläche unbemerkt – unter der Stadt durch. Die Stadt- und Straßenbahnen fahren oben ganz normal weiter, die Fußgänger können trotz unterirdischer Bauarbeiten die Angebote in der Kaiserstraße in Anspruch nehmen. Die Schildmaschine, die den neuen Stadtbahntunnel gräbt, ist über 70 Meter lang und weit über 100 Tonnen schwer, der Bohrkopf hat einen Durchmesser von über neun Metern. An einem Tag legt die gigantische Maschine circa zehn Meter zurück und hinterlässt eine mit Betonringen fertig ausgekleidete Tunnelröhre. Die Bohrpfähle beziehungsweise Schlitzwände, die den künftigen Haltestellendecken Halt geben, sind an der Stelle der TBM-Durchfahrt mit „ComBAR“ bewehrt. ComBAR besteht aus glasfaserverstärktem Kunststoff (GFK), hat jedoch ähnliche Eigenschaften wie Stahl und kann von der TBM problemlos durchfahren werden. Dies bedeutet eine enorme Zeitersparnis. Der Stillstand der TBM, den eine herkömmliche Bewehrung mit Stahl verursachen würde, entfällt. Der zweite Tunnel, der Südabzweig, erschließt drei weitere U-Haltestellen für den Citytunnel und bindet damit die südlichen Stadtteile besser an das Zentrum an. Aufgrund der Kürze der Strecke wird dieser im herkömmlichen bergmännischen Vortrieb mit Druckluftsicherung durchgeführt. Mit der Eröffnung des Stadtbahntunnels, die für 2016 geplant ist, wird sich das Bahnaufkommen in der Kaiserstraße bereits um 70 Prozent reduzieren. Der dritte Tunnel, Straßentunnel Kriegstraße sowie die Rampenbauwerke dazu, werden in Abschnitten über offene Bauweise erstellt. Die Fertigstellung der Kombilösung ist für 2019 geplant.

Schlitzwände: Durchfahrbereiche GFK-bewehrt

Beim Bau des Stadtbahntunnels in Karlsruhe sind die Baugruben durch Bohrpfähle und an einigen Stellen durch Schlitzwände gesichert. Sie sind bis in die tertiären Schichten eingebunden. Da die Tunnelbohrmaschine mit Betonstahl bewehrte Bohrpfähle und Schlitzwände nicht durchfahren kann, müssten diese im Durchfahrbereich von Hand aufwändig abgebrochen werden. Stahlbewehrte Schlitzwände und Bohrpfähle bedingen somit ein Anhalten der TBM, ein manuelles Lösen des Betons sowie ein Herausbrennen der Stahlbewehrung. Um dabei sicherzustellen, dass das Erdreich hinter der Wand nicht in die Baugrube einbricht, sind im Regelfall zusätzlich kosten- und zeitintensive Sicherungsmaßnahmen hinter der Baugrubenwand erforderlich.

Wirtschaftliche und verfahrenstechnische Aspekte führten daher auch beim Bauprojekt in Karlsruhe zu der Entscheidung, die Bohrpfähle und Schlitzwände im TBM-Durchfahrtsbereich nicht mit Betonstahl zu bewehren. Stattdessen werden die sogenannten Soft-Eyes mit der Sonderbewehrung ComBAR vom renommierten Bauteilehersteller Schöck aus Baden-Baden bewehrt. Die glasfaserverstärkte Kunststoffbewehrung kann aufgrund der leichten Zerspanbarkeit direkt von der Tunnelbohrmaschine durchfahren werden. Durch die lokal GFK-bewehrten Abschnitte in den Durchfahrbereichen der TBM entfallen aufwändige Erdsicherungsmaßnahmen. Das spart Bauzeit und damit gleichzeitig Baukosten.

Schöck ComBAR besitzt ähnliche Verbundeigenschaften wie Betonstahl, ist aber im Gegensatz zu stahlbewehrtem Beton resistent gegenüber Chemikalien, Magnetismus und elektrischem Strom. Die GFK-Bewehrung wird deshalb auch als Sonderbewehrung für Spezialanwendungen im Hafenbau sowie in Forschungs- und Energieanlagen eingesetzt. Zudem kann sie sowohl dauerhaft tragend unter Last als auch für temporäre Bewehrungsmaßnahmen eingesetzt werden – wie jetzt beim Bau des Stadtbahntunnels in Karlsruhe.

Optimierte Anwendung


Die Längsbewehrung der Bohrpfähle und Schlitzwände besteht für das Karlsruher Bauprojekt aus ComBAR-Stäben mit Nenndurchmessern von 25 und 32 Millimetern. Querkräfte leiten eingebaute Kopfbolzen ab und diagonal eingebaute Stäbe steifen die Körbe zu einem stabilen Fachwerk aus. Damit können die Körbe ohne zusätzliche Aussteifungen aus Stahl in die Senkrechte gebracht werden: Zusätzliche Hebeeinrichtungen sind nicht erforderlich und so kann der bautechnische Ablauf nochmals optimiert werden. Die GFK-bewehrten Körbe werden in sich mit Rödeldraht verbunden. Die Koppelung an die angrenzenden stahlbewehrten Körbe wird mit Seilklemmen ausgeführt. Komplett vorgefertigt erfolgt der Transport zur Baustelle. Vor Ort können sie mit einem Kran beziehungsweise dem Bohrgerät in die ausgehobenen Schlitze eingesetzt werden. Anschließend wird dann im Kontraktor-Verfahren betoniert.

Autor: Rosa Weimer

Bautafel

Bauprojekt: Kombilösung Karlsruhe
Bauherr / Auftraggeber: KASIG GmbH   
Baubeginn: 2010
Baukosten: 615 Millionen Euro
GFK-Bewehrung: ComBAR, Schöck Bauteile GmbH, Baden-Baden
Fertigstellung: Voraussichtlich 2019